Chemnitz vs Halle zurück zur Spielauswahl

05.02.2017, Chemnitzer FC - HFC Chemie 1:1 und Was soll ich dir heute zu Abend machen?

Da trottete ich so hinter einem Mittvierzigerpärchen Richtung überfüllter Parkplatz und höre die Samstagkulinarien mit, beziehungsweise weg, als es dazu kam in die Details zu gehen.
"Dann trinken wir schön Kaffee. Und was soll ich dir heute zu Abend machen?", waren die letzten Sätze, die ich bewusst aufnahm.
Schön so was über Nestwärme zu hören, passt auch wenn man von der Baumarkteröffnung, vom Lebensmittelkauf oder von den Schwiegereltern kommt (mit denen man vielleicht nicht Kaffee trinken wollte).
Allerdings waren sie, wie auch ich, auf dem Heimweg vom Drittligafußball und das Ganze wahrscheinlich irgendeine Art Antiprogramm zum eben Gesehenen. Keine zwanzig Minuten vorher kam mir noch der übliche Schwall von Disharmonien vor die Linse.
Einige Hallenser und ein Chemnitzer grüßten sich blockübergreifend mit Masturbationsbekundungen, die Gäste oberkörperfrei und erweiterungstechnisch mit Schattenboxeinlagen und Pantomimevorführungen was Telefonabsprachen anbelangt.
Erstaunlich das man in Halle nicht nur "wischt" oder "tippt", sondern sogar noch mobile Wählscheiben angeboten werden.
Meine Privatwahl im inzwischen nicht mehr ganz neuen Stadion fiel also auf Block eins und wie im alten Stadion in der Nord wollte ich mir den Spaß stehend ganz oben geben.
Ging, wie mir prognostiziert wurde, nicht lange gut, denn Körpergröße und Anbringhöhe der Werbung einer Dachdeckerei standen sich so im Weg, dass ich mich nach Hinweis des Stewards (früher Ordner) setzen durfte.

(Den schwachen Kalauer "wegen eines Dachdeckers eine aufs Dach kriegen" bitte streichen. Selbiges gilt für: "Ich war nach dem Abdrücken von 22 Euro für den Sitzplatz finanziell nicht mehr so gut gePOLSTERt, dass ich mir noch hätte unzählige Bratwürste und Getränke leisten können.)

Im Laufe des Ausbreitens der EINS ENERGIE- Blockfahne auf dem Anstoßkreis gesellten sich noch einige ewig nicht gesehene Personen zu mir oder ich mich zu ihnen und man kam auf dies und das über mehrere Ecken zu sprechen, was direkt oder indirekt oder überhaupt nichts mit Fußball zu tun hat.
Erstaunlich war das ziemlich anfängliche Rückblicken auf Leipzig, das alte Zentralstadion, meinen Lada Samara Cabrio und meinen eigentümlichen Zauntorjubel beim Auswärtssieg gegen den VfB Lok Mitte der Neunziger.
Zehn Minuten die Treppen runter und zwanzig wieder rauf.
Ich warte auf den Moment, mich solcher Eskapaden zu schämen.
Ausfielen Dispute um ausgefeilte Mittagsmenüs und der Besuch von Autowaschanlagen, obwohl alle Anwesenden mit Auto da waren und nicht etwa mit Schienenfahrzeugen.
Weil ich gerade im Flow bin, gestehe ich, dass ich an diesem Tag in Chemnitz ein Auto Probe fahren war und sich aufgrund der guten Terminierung eine Zeitschleuse auftat, die mir das Fußballspiel überhaupt erst als gut-in-den-Kram-passend erscheinen ließ.
Allerdings gestaltete sich DIESES aufgrund längerer mauer Phasen in der ersten Halbzeit (summiert etwa eine halbe Stunde) überaus langweilig und befeuerte währenddessen Überlegungen, wie man unter Umgehung von Kosten einen Umzug bewältigen könnte.
Da wir heute nicht mehr mit Handwagen unsere Bleiben wechseln und ich vorher...
Also: man meldet sich an einem Tag (wenn wohnhaft in der Großstadt, auf dem Dorf wird es kaum fünf Transportfahrzeughändler geben) zu mehreren Probefahrten an und bekommt jeweils vertraglich 30 Minuten Zeit zugesichert, diese zu absolvieren.
Das dürfte, wenn der ganze Hausstand (und eine entsprechende Anzahl helfender Hände vorausgesetzt) beladefreundlich am Straßenrand aufgetürmt steht, machbar sein.
Natürlich sollte der Fahrer nicht außer Atem in den Autohäusern landen.
Völlig unmöglich erscheint mir allerdings, dies mit einem Bagger zu tun.
Es gibt ja genug Leute, die gern mal auf ihrem Grundstück eine Grube ausheben, denen aber eine Schaufel zu schwer ist.
Bis man am geplanten Aushub ist, sind die 30 Minuten rum.
Es sei denn, dass Autohaus ist dein Nachbar.
Was völlig anderes und ein Hinweis an die mich umgebenden Personen für das nächste Mal in etwa fünf Jahren: "Was trägst du eigentlich für einen flotten Winterblouson?", hätte ich gern gefragt werden wollen und als Antwort parat gehabt: statt NORTHFACE (um nicht Gefahr zu laufen, mein Schulterblatt den Fadenkreuzen flexibler Fokusse fotografiewütiger Fußballblogger auszusetzen) gönne ich mir KIK aus Asien. Trotzwohl ich nicht ausschließen kann, dass dieser in den rauchenden Trümmern einer FLINK neu entstandenen Textilfabrik zusammengeschustert wurde.
Glücklicherweise waren dann die LAHMEN Spielminuten vorbei und das Spiel wurde spannender.
Nun, nach ein paar Chancen für Chemnitz ging es in die Halbzeitpause.
Die zweite Hälfte nahm dann richtig Fahrt auf und begann mit einem gegebenen Elfmeter, der in einen zurückgenommenen Elfmeter (derselbe also) mündete. Und als diese Doppelentscheidung noch vor sich hingärte, gab es wieder Elfmeter, der diesmal nicht revidiert wurde.
Gjasula verwandelte für Halle zum 0:1 und hinterließ einen ekstatischen Gästeblock, der sich fortan weiter und noch lauter dem Support für die Mannschaft und gesungener Hatespeech für den Gastgeber hingab.
Für die Hintermannschaft der Himmelblauen war der Strafstoß natürlich Gift und vorsichtshalber wurde gerade im Sechzehner nicht mehr konsequent gehandelt.
Halle hatte also bei Kontern durchaus die Möglichkeiten, den Deckel draufzumachen.
So aber löste Köhler den Abwehrverbund auf und warf den jungen Baumgart ins Geschehen, der diese eine große Chance im anderen Strafraum resolut nutzte und dem Heimteam einen letztendlich verdienten Punkt bescherte.
Das Abebben der Schlachtrufe bei Halle/Leipzig war beeindruckend und ging nahtlos in die angesprochenen Provokationen über, die aber nicht TRIEBFEDER meines Berichts gewesen sein sollen.
Auch wenn sie nicht uninteressant waren.

(TRIEBFEDER: ein Lieblingswort in Produktionspropagandaheftchen der DDR. Wurde auch in der FUSSBALLWOCHE eben zu dieser Zeit gern verwendet, meist im Zusammenhang mit LEISTUNG und HANDELN im Sinne von Handlung und nicht etwa SCHACHERN.)

Genug, nun.
Ist schon Abend und meine Kartoffeln mit Pommes warten.

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