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07.09.2003, Chemnitzer FC - Eintracht Braunschweig, Blick in den Abgrund

Denke ich an Braunschweig, denke ich an „Daily Terror“ (eine der besten Bands überhaupt), an Sir Jan Off, an die Volkswagenbankwerbung, an Lok Rische, an den vollbärtigen und berufstätigen Torhüter Kunze mit dem traurig- erotischen Blick eines Seemannes, der schon vorher wusste, dass das Schiff doch untergehen wird, an den Mainzer Wache (berufstätiger Torhüter so on, der am letzten Spieltag, nach dem Nichtaufstieg der letzten Saison einen Braunschweiger Pöbulanten in seinen Schalensitz betonieren wollte), an Autospiegel braun- weißer Hamburger Autobesitzer, die sich vor Angst unelektrisch verstellten, an den Policedepartmentparkplatz, wo beim letzten Spiel in Chemnitz PKW’s ihre Bomberjackenbesatzungen ausspuckten. Brunswijck ist Hannoveras Hure oder umgekehrt, Magdeburg, Mannheim und Basel sind grimmig dreinguckende Zuhälter.
Denke ich an Chemnitz gehen alle Lichter aus, oder alle Warnlampen an. Unterbrechungsfreie Stromversorgung, in IT- Kreisen kurz USV genannt.
Ohne Umwege steuerte ich diese Woche die vierstellige Autoreparatureurobezahlmarke an, und habe sie kurz nach dem TÜV- Siegel mit einem umfassenden Defekt in der Nähe des Motorblockes übersprungen. Es wurde Zeit romantische Gefühle zu entwickeln, Bahnfahrten durch drei Tarifzonen erforderten ab fünf Uhr Aufmerksamkeit.
Ab siebzehn Uhr und nach zehn Stunden Praktikum ist es nicht mehr weit her damit, da müssen andere diesbezüglich ran. Drei Tage dieses Debakels bescherten Geschichten für ein ganzes Jahr.
An einer Straßenbahnhaltestelle saß ein älterer Herr mit heruntergelassenen Hosen, daneben standen Mutter und Kind und überwachten die Einhaltung des Fahrplanes. Ich musste weiter auf dem Weg zur Flöhatalbahn, also zum Hauptbahnhof, was mich dazu nötigte den Sonnenberg zu tangieren, wo sich auf eckcouchartig angeordneten Parkbänken Dramen abspielten. Ganze Familien tummeln sich im Angesicht ihres Spiegelbildes auf der Bierbüchse, um öffentlichkeitswirksam Barbara Salesch nachzuspielen.
„Bist du nun noch meine Frau oder nicht!“, schrie ein Fünfzigjähriger ohne Zähne

(Opas Zähne sind wie Sterne, abends kommen sie raus.)

einer scheinbar Neunundvierzigjährigen (kann aber auch 24 gewesen sein) hinterher, die ihre Ramatolle unter einem dreckigen Ferraribasecap zu verbergen suchte. Ich eilte weiter, andere blieben. Wie auf einem Laufband, ohne Vorwärtskommen landet man dann auf dem Querbahnsteig und der Igel sprach zum Hase: „Ich bin all hier.“
Oder um mit Soldat Schwejk zu sprechen, der mal in seiner Stammkneipe sagte, als er zum Krieg eingezogen worden war: „Wir treffen uns hier nach dem Krieg um sechs Uhr.“
Weitere Familien verprassen hier ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an runden Stehtischen. Man kann nicht davonlaufen, auch nicht fahren. Am nächsten Tag waren es ähnliche Szenarien, mit anderen Personen. In diesen (vorläufigen) drei Tagen bin ich misstrauisch geworden. Entweder werden auf dem Sonnenberg/Bahnhof Komparsen zu gleichbleibenden Theaterstücken gecastet, oder es entsteht eine neue Abstraktkultur, dessen Sinn sich mir schleunigst erschließen sollte. Sonst werde ich bei der nächsten Autodemontage als Zugfahrer vielleicht mein blaues Wunder erleben, wenn ich dort unhygienische Gangbangfeten im Vorübereilen sehen muss.

(Was ist der Unterschied zwischen Florena und Salzsäure? Salzsäure scheidet die Fette.)

Zurück zum Spiel: Weit weg vom Bomberjackenwetter präsentierte sich vor allem der modische Schickkopf Thomas in den ersten fünfzehn Minuten in Überrennform. Drei Himmelblaue ausspielen oder überlaufen und Flanken mit Ansage. Ein ordentlicher Schuss aufs lange Eck, den Hiemann spektakulär herausfischte, krönte seine vorerst gute Leistung. Das Tor machte dann Adrion nach einem Freistoß per Kopf für die Gäste. Überraschenderweise nahmen die zu diesem Zeitpunkt klar überlegenen Gäste einen Gang raus und der Club legte beinahe unbeeindruckt einen zu. Biermann durfte gleich im Doppelpack versemmeln und Kunze pritschte einen harten Spannstoß auf Mann nach vorn weg. Während der Plätscherphase auf dem Platz hielten sich die Rangbesucher an ihren Feindbildern fest und sangen Anti- Arien auf Aue, Dynamo und Hannover.
Kurz vor der Pause (eigentlich zur Pause) flog dann wieder ein hohes Leder in den Heimstrafraum und wieder verlor man die Lufthoheit. Diesmal traf Marco Grimm per Kopfball in Kniehöhe.
Die zweite Hälfte war mehr oder minder das Halten gegen Wollen, aber nicht die Mittel haben. Hiemann hielt in der letzten Minute noch einen von ihm selbst verursachten Elfer gegen Dinzey. Ein 3:0 für die guten Gäste wäre aber auch zuviel gewesen, denn der Gastgeber hat seine Serie zwar verloren, konnte aber erhobenen Hauptes den Rasen verlassen, was auch ein Großteil der 5200 Zuschauer so sah.

Verweise:

Lautsprecherverlag

Autor Off

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